Claudias Krankheitsverlauf

Teil 5
ab dem 28.09.2002

Datum: Ereignis:
28. September 2002 21 Monate Glioblastom.

Nach einem entspannten Tagesbeginn sind wir am späten Nachmittag Richtung Trebbin zu Sibylle und Mario aufgebrochen. Alles schien gut. Claudia hatte sich richtig gefreut, die beiden wieder zu sehen und wurde während der Fahrt richtig gesprächig. Auf halber Strecke jedoch wurde ihr ohne Vorankündigung plötzlich schlecht und sie musste sich wahnsinnig übergeben.
Mit vielen Unterbrechungen, Saubermachen und Kleidung wechseln haben wir es aber dennoch bis Trebbin geschafft, wo wir Claudia gleich ins Bett gelegt hatten. Leider wurde es Claudia davon auch nicht besser, nein ihr wurde immer schlechter. Ich möchte jetzt nicht ins Detail gehen, aber wir waren dann irgendwann nur noch am Wäsche wechseln und waschen.

29. September 2002 Kurz nach Mitternacht riefen wir dann Sibylles Hausarzt an, welcher uns Tipps gab wie wir mit den vorhandenen Medikamenten Claudia so weit wieder auf den Damm bringen könnten, das wenigstes etwas Flüssigkeit und das Schmerzmittel drin bleiben. Leider blieben sämtliche Versuche ohne Erfolg. Claudia ging es von Stunde zu Stunde schlechter und hatte wahnsinnige Kopfschmerzen. Sie hat nur noch gewimmert, die ganze Nacht. So blieb uns nicht weiter übrig als die 112 zu wählen und den Notarzt zu holen. Mit Infusionen wurde Claudia dann ganz schnell wieder besser, ja sie sprach wieder und lächelte sogar mal zwischendurch.
Da eine Einweisung in das nächstgelegene Krankenhaus bestimmt wieder im Experiment geendet hätte, gaben wir deutlich zu verstehen das wir eine Einweisung ins Sankt Gertrauden Krankenhaus nach Berlin wünschen und nur dorthin und sonst nirgends. Zum Glück kannte die Notärztin den Namen Prof. Vogel und konnte ihn gleich mit Claudias Leiden in Verbindung bringen. So wurde über die Rettungsleitstelle nach einem Bett für Claudia gefragt und ca. eine halbe Stunde später eines zugesagt. Da es hier jedoch um einen Transport in ein anderes Bundesland ging, musste ein separater Krankentransport geordert werden, der nach spätestens einer halben Stunde eigentlich kommen sollte. So wurde Claudia von der Infusion abgeklemmt damit sie sich anziehen konnte und Arzt und Sanitäter verschwanden.
Das ganze Geschehen wäre jetzt sicherlich noch einigermaßen glimpflich verlaufen, wäre dann auch tatsächlich ein Krankentransport gekommen. So warteten wir, hielten Claudia die Hand und niemand kam. Immer wieder haben wir dort angerufen, 1 Stunde verging, 1 1/2 und Claudia wurde es immer schlechter. Als dann wieder nichts mehr ging haben wir erneut die 112 wählen müssen. Da sagte man uns ganz trocken, das das bei uns kein Notfall sei und wir deshalb warten müssen. Selbst eine Erklärung, wie schlecht es Claudia schon wieder geht, wurde ignoriert. Das was sich die Rettungsleitstelle des Landkreises Teltow-Fläming hier erlaubt hat das ist unterlassene Hilfeleistung ! Sibylle und Mario, die das alles miterlebt haben werden sicherlich auf ihrer Homepage nochmals darauf eingehen.
Als nach 2 Stunden der Krankentransport nun endlich da war, ging es Claudia bereits wieder so schlecht, das die Sanitäter wieder den Notarzt rufen mussten um Claudia überhaupt transportfähig zu bekommen. Dann ging es in einer Kamikazefahrt mit Blaulicht nach Berlin ins Sankt Gertrauden Krankenhaus.

Nach all den Erlebnissen tat es unheimlich gut, als an diesem Sonntag Morgen Prof. Vogel persönlich in der Notaufnahme erschien, unter seinem Arm die Bilder und Unterlagen geklemmt, die ich ihm bereits geschickt hatte. Er möchte Claudia jetzt ein paar Tage da behalten um alle möglichen Untersuchungen zu machen, die klären sollen, was das da nun genau ist, was jetzt neu in ihrem Kopf entstanden ist. Leider, er hat sich dabei sehr vorsichtig ausgedrückt, ist im Balken etwas Tumor, und genau dort ist Claudias Merkfähigkeit verankert. So soll jetzt erst mal die Medikation umgestellt werden und das Laif 600 vorerst weggelassen werden, da dies im Moment zu viel für den Magen sei.

Damit Claudia ein Zimmer hat, wurde kurzerhand ein anderer Patient frühzeitig entlassen und Claudia konnte sich endlich mal ausschlafen. Und todmüde bin auch ich nach diesen 38 Stunden ohne Schlaf ins Bett gefallen, ganz beruhigt darüber, das Claudia jetzt bestens aufgehoben ist.    

30. September 2002 Ich rufe Claudia an. Sie sagt nur das Wort 'Ja', sonst nichts. So fahre ich von Sibylle und Mario, wo ich gerade wohne nach Berlin zu Claudia. Aber Claudia schläft nur. Tief und fest ! So bleibt mir nichts anderes, als ihr die Hand zu halten.
01. Oktober 2002 Claudia schläft schon wieder tief und fest, als ich komme. Das Essen bleibt nach wie vor nicht drin. Gegend Abend jedoch wird sie munter und erzählt und isst. Das Abendessen bleibt drin und ich hoffe, das sie jetzt wieder so weit zu Kräften kommt, das die Untersuchungen bald gestartet werden können.
03. Oktober 2002 Seit vorgestern Abend bleibt das Essen nun drin und Claudia erholt sich zusehends. Unter einer höheren Gabe von Fortecortin kehrt nun auch die Sprache wieder zurück. Ich bin heute nur kurz bei Claudia, da ich mir eine schlimme Erkältung, Husten, Schnupfen und Fieber eingefangen habe. Für morgen habe ich bereits Besuch für Claudia organisiert, damit sie nicht so alleine ist.
04. Oktober 2002 Eigentlich wollte ich heute den ganzen Tag im Bett bleiben und meine Grippe auskurieren. Ich erhalte jedoch die Nachricht, das ich nach Berlin ins Krankenhaus zu einem Gespräch mit Prof. Vogel kommen soll. So fahre ich auch gleich los und treffe ihn kurz an. Prof. Vogel meint aber, das er jetzt nur eine halbe Stunde Zeit hat und ich gegen 20 Uhr vor seinem Dienstzimmer warten soll. So fahre ich zurück nach Trebbin um mich weiter auszuruhen. Am Abend dann bin ich total am Ende von meinem Infekt, habe leichtes Fieber und traue mich in meinem Zustand nicht alleine nach Berlin zu fahren. So fährt mich Mario ins Sankt Gertrauden Krankenhaus und wenn auch unglaublich, wir sind die einzigen, die an diesem Abend vor Prof. Vogels Dienstzimmer warten.

Prof. Vogel nahm sich viel Zeit um mir die Möglichkeiten des weiteren Vorgehens zu erklären. Er meinte zunächst, das der neue Herd ein Ableger des tiefer sitzenden noch nicht operierten Herdes sei, der jetzt offenbar nicht mehr auf das Laif 600 sowie das Thalidomid reagiert. Der Rest des Rezidives am vorderen, bereits operierten Herd scheint jedoch weiter darauf anzusprechen.
So erwähnte er die Möglichkeit einer neuen Operation, riet aber nicht dazu, da es sich im Moment um wenig Tumormasse handelt, die noch keinen Raum fordert.
Somit ist es jetzt am wichtigsten den Therapieplan umzustellen. Dazu wurden mir 3 mögliche Therapien genannt. Die im Moment unkomplizierteste Möglichkeit ist, zunächst durch einen Molekulargenetischen Test herauszufinden, auf welche Therapien der Tumor anspricht. Dadurch könnten wir Zeit sparen und Claudia müsste nicht alle noch verbleibenden Therapiemöglichkeiten auf pure Hoffnung auf Wirkung hin ausprobieren. Jedoch kann auch dieser Test nicht versprechen, ob überhaupt ein Ansprechen auf weitere Therapien zu erwarten ist. Die daraus folgenden Therapiekosten würden jedenfalls dann wieder von der Krankenkasse übernommen werden.  Jedenfalls blieben ihr durch den Test qualvolle Nebenwirkungen durch das bloße ausprobieren anderer Substanzen erspart. Kostenpunkt des Testes wären € 1.800,--
Als zweite Möglichkeit nannte Prof. Vogel die Möglichkeit einer Therapie mit dentritischen Zellen. Diese Möglichkeit musste ich aber gleich hinten anstellen, da eine Behandlung im Bereich von ca. € 50.000,-- liegen würde.
Bliebe dann nur noch eine Therapie mit 'Killergenen' die sehr viel versprechend zu sein scheint, sich jedoch ebenfalls in Preisregionen um die € 25.000,-- bewegt. Ich bin mir jetzt auch nicht ganz sicher, ob der Link der richtige ist, jedenfalls scheinen die Möglichkeiten da mittlerweile schon weiter zu sein, als in diesem Artikel erwähnt.
Alle mir genannten Möglichkeiten werden nicht von der Krankenkasse übernommen, da Claudia in deren Augen jetzt austherapiert zu sein scheint. So entschied ich mich erst einmal für den molekulargenetischen Test, der jetzt am kommenden Dienstag stattfindet und bereits am darauf folgenden Donnerstag ein Ergebnis liefern soll. Auch das nötige Kleingeld dafür wäre aufzutreiben indem ich jetzt einfach mal anfange Teile unserer Wohnungseinrichtung bei ebay zu verticken.

05. Oktober 2002 Claudia darf das erste Mal wieder aufstehen und mit dem Rollstuhl durch die Gänge fahren. Das Gedächtnis bleibt eine Katastrophe, sonst aber geht es ihr schon ganz gut.
07. Oktober 2002 Ab heute ist die Pflege im Sankt Gertrauden Krankenhaus wieder so wie wir sie kennen. Über das vergangene Wochenende wurden die beiden Stationen der Neurochirurgie nur von zwei hoffnungslos überlasteten Pflegern betreut und die Patienten mussten nach dem Klingelsignal ewig warten bis jemand kam.

Leider hatte Claudia heute wieder Krämpfe im Hals, die ihren Kopf nach links zogen. In jedem anderen Krankenhaus hätte man sie jetzt wohl mit Tegretal vollgestopft. Im Sankt Gertrauden Krankenhaus jedoch nahm sich die Stationsärztin 3 mal ca. 15 Minuten Zeit um Claudia im Nacken zu massieren. Als Zusätzliche Medikation gab es danach nur eine dicke Magnesiumtablette.

08. Oktober 2002 Heute wurde der Test nach Dr. Kübler bei Claudia gemacht. Ein Ergebnis wird allerdings noch ein paar Tage dauern, da die gewonnenen Proben erst im Labor weiterbehandelt werden müssen. Claudia kann sich an nichts mehr erinnern, fragt immer wieder wie es weiter geht und als ich den Test erwähne, kann sie sich an nichts mehr erinnern.
Weiterhin gibt es ab heute wieder Krankengymnastik !
10. Oktober 2002 Heute geht es Claudia ein wenig besser. Sie kann sich an einzelne Dinge des Tagesablaufes wieder erinnern, weiß wieder was es zum Essen gab und was die Krankengymnastin mit ihr gemacht hatte. Es scheint, als würden die 12 mg Fortecortin, die sie nun seit ihrer Einlieferung bekommt eine Wirkung zeigen. So sind wir heute das erste Mal außerhalb der Neurochirurgischen Stationen im Krankenhaus unterwegs gewesen. Claudia genoss die Herbstsonne im Garten des Krankenhauses, wir besuchten die Sozialstation und holten die letzten MRT Bilder auf CD-ROM ab.
Als wir wieder zurück im Zimmer waren, fehlten die Telefonkarten im Zimmer. Die junge Tumorpatientin, die gerade das Zimmer mit Claudia teilt hatte das Zimmer nur für 5 Minuten verlassen und genau da schlug ein dreister Dieb zu und löste binnen weniger Minuten das Restguthaben sowie das Pfandgeld am Automaten ein. Es ist einfach unvorstellbar, das es Menschen gibt, die andere, deren Leben schon durch Krankheit zerstört ist auch noch bestehlen. Ich kann da nur Hoffen, das die Bilder der Überwachungskamera am Telefonautomaten einen Hinweis auf den Täter geben.
Am Samstag darf Claudia wieder nach Hause. Nicht ganz nach Hause, aber wieder zurück zu Sibylle und Mario nach Trebbin. Hier werden wir am kommenden Montag dann auch ihren 29ten Geburtstag feiern.
In eigener Sache wollen wir den Besuchern dieser Webseite noch einmal dafür danken, das Ihr Euch so zahlreich immer wieder hier sehen lasst. Der Zugriffszähler hat vor kurzem die 50.000 Besucher Marke überschritten, das Gästebuch wer weiß wie viel hundert Einträge.... Danke dafür, das Ihr immer an uns denkt und mit uns weiter 'zittert'.
Zum Schluss noch was weniger schönes. Die letzten MRT Bilder ! Das einzige interessante ist, das die Zyste sowie der vordere Tumorrest plötzlich verschwunden ist. Alles andere ist, jedenfalls in meinen Augen eine reine Katastrophe.
MRT-Bilder
12. Oktober 2002 Entlassungstermin aus dem Sankt Gertrauden Krankenhaus. Prof. Vogel führt vor unserer Abreise noch ein ausführliches Gespräch mit uns und erklärt uns die Auswertung des molekularen Stagings nach Dr. Kübler. Ich werde später, wenn wir wieder zu Hause sind noch genauer darauf eingehen. Hier, unterwegs, fehlt mir einfach die Zeit und die nötigen Voraussetzungen dafür. Jedenfalls soll baldmöglichst eine weitere Therapie mit dem molekularen Antikörper Herceptin begonnen werden.
All denen Lesern, die selbst von Hirntumor betroffen sind oder einen betroffenen Angehörigen haben brauche ich jetzt wohl nicht erzählen, welch Theater jetzt wieder vor uns liegt einen Arzt in unserer Gegend zu finden, der bereit ist das wieder alles mitzumachen. Prof. Vogel möchte sich jedenfalls mit den von uns genannten möglichen Adressen besprechen. Finden wir keinen, dann müssen wir die nächsten 10 Wochen in Berlin wohnen, da hier diese Therapie in jedem Falle geboten wird. Weiterhin soll Claudia mit der Therapie mit Laif 600 und Thalidomid fortfahren, da der Test ein hohes, aber nicht ausreichendes Ansprechen auf die Antiangiogenese voraussagt. Was wir uns künftig sparen können sind Zytostatika. Die haben laut des Testes überhaupt keine Wirkung bei Claudia.
13. Oktober 2002 Wir erhöhen das Fortecortin von 12 auf 16 mg.
14. Oktober 2002 Claudias Gedächtnis sowie ihr Allgemeinzustand ist heute deutlich besser. So feiern wir heute Claudias 29. Geburtstag in sehr kleinem Kreis zusammen mit Sibylle, Mario, deren Kinder und einer Leserin dieser Seite, die wir sehr lieb gewonnen haben, die Claudia bereits in Berlin im Krankenhaus besucht hatte und mit der wir uns alle gut verstehen.
Vielen Dank an dieser Stelle auch für die vielen Glückwünsche zu Claudias Geburtstag.
Am Mittwoch fahren wir dann erst mal Richtung Leipzig zu unseren dortigen Freunden. Von da aus wird dann auch entschieden werden müssen, ob es am Wochenende zurück nach Hause oder wieder zurück nach Berlin geht.
16. Oktober 2002 Heute haben wir den Hausarzt von Sibylle und Mario persönlich kennen gelernt. Er verschrieb uns ohne Einwände alle Medikamente, die wir als Nachschub benötigen und machte mit Claudia den seit über einem Jahr überfälligen TSH-basal, Folsäure und Vitamin B-12 Test im Serum.
17. Oktober 2002 Wir fahren in Claudias Heimatort. Dort angekommen müssen wir natürlich gleich zum nächsten Arzt rennen, da Claudia einen akuten Folsäure sowie B-12 Mangel hat. Sie bekommt ab jetzt täglich Vitamin B-12 gespritzt.
18. Oktober 2002 Da Claudias Mutter, die nur 500 Meter von unseren Freunden entfernt wohnt nicht kommt bestell ich sie einfach her um sich mal ein Bild vom Zustand Ihrer Tochter zu machen. In einer langen und lauten Auseinandersetzung gestand sie mir schließlich, das die Krankheit und die Pflege Ihrer Tochter eben nicht ihr 'Ding' sei und sie dann doch lieber in den Urlaub fährt um die Probleme zu vergessen. Ich bekam den Hinweis, das ich als Ehemann ihrer Ansicht nach alleine für Claudias Pflege verantwortlich sei und doch gefälligst wieder arbeiten gehen solle, wenn das Geld für weitere Therapien nicht reicht. Hatte sie und Ihr Freund noch kurz vor Claudias Erkrankung davon gesprochen, das sie im Alter in unsere Nähe ziehen wollen, damit wir die beiden mal Pflegen können muss ich mir jetzt anhören, das wir Ihrer Unterstützung nur über den Rechtsweg erhalten. Am Tag darauf ist sie schon wieder für eine Woche in den Urlaub gefahren.
Obwohl ich darauf geachtet hatte, das Claudia die ganze Auseinandersetzung nicht mitbekommt hat sie die Nacht sehr unruhig geschlafen und um sich geschlagen. Auch wenn sie sich nicht mehr viel merken kann, sie bekommt das genau mit, wie ihr nahestes Umfeld versucht sich hier aus der Affäre zu ziehen.
23. Oktober 2002 Claudia befindet sich seit 3 Tagen in einer norddeutschen Klinik, deren Namen wir hier nicht nennen und hat mit einer Therapie begonnen, die wir hier ebenfalls nicht nennen. All das verbietet uns eine nicht vorhandene Logik in unserem kurz vor dem Kollaps stehenden Gesundheitssystem. Den Bürokraten ist es doch alles egal, ob ein Mensch weiterleben kann oder nicht. Hauptsache alles ist geprüft, zugelassen und nicht zu teuer. Ein sehr angesehener Professor aus Hamburg meinte einmal, das wir diesbezüglich in einer Bananenrepublik leben und das können wir jetzt bestätigen.
So ist es wirklich jammerschade, das ich hier nicht weiter darauf eingehen kann. Ich dachte anfangs, diese Webseite kann alles so darstellen, wie wir es erleben aber wir wollen die Ärzte, die Claudia nicht aufgeben hier in Schutz nehmen. Das Internet ist voll von Spinnern und ich bin mir sicher, das es ein paar Mitleser gibt, die nur darauf warten das wir hier einen Fehler machen.
Um hier nicht näher darauf einzugehen möchte ich lieber mitteilen, das es Claudia den Umständen entsprechend im Moment ganz gut geht. Das Gedächtnis ist nach wie vor schlecht, sonst aber ist sie stabil. Wir werden in jedem Falle weiter kämpfen und nehmen fortan in Kauf, jede Woche an die 1.600 Kilometer für diese Therapie zurückzulegen.
31. Oktober 2002 Jetzt bin ich für 3 Tage zu Hause um nach dem Rechten zu sehen. Das erste Mal seit 5 Wochen wieder daheim. Ich muss mich dringend um die sich angehäuften Poststapel kümmern, beim Hausarzt Thalidomid und die Krankmeldung für Claudia besorgen sowie wärmere Anziehsachen.
Claudia habe ich derzeit bei ihrer Oma bei Leipzig untergebracht, die für ihr Alter von über 70 Jahren noch immer rüstig genug ist mit der Pflege ihrer Enkelin zurechtzukommen. In der Vorwoche hatten wir das bereits 2 Tage lang in meinem Beisein getestet und es klappte ganz gut. Zu Claudias Allgemeinzustand kann ich im Moment nichts konkretes sagen. Man könnte sagen unverändert. Es gibt gute und schlechte Tage. Hin und wieder meine ich, das das Gedächtnis ein wenig besser geworden ist, dann fällt ihr einiges vom Tagesablauf wieder ein. An manchen Tagen jedoch ist es unverändert katastrophal. Die Therapie geht jedenfalls weiter und inwieweit sie Erfolg hat kann man frühestens beim MRT Termin nächste Woche sehen.
05. November 2002 Vor 3 Tagen habe ich Claudia bei ihrer Oma abgeholt. Die Tage bei ihrer Oma haben Claudia eigentlich ganz gut gefallen. Aber so schnell möchte ich das ihrer Oma nicht wieder antun. Man merkt ihr an, das sie mit der Pflege ihrer Enkelin bis aufs äußerste belastet ist.
Obwohl es Claudia bei meinem Eintreffen eigentlich ganz gut ging wurde ihr während der Fahrt in die Klinik schon nach wenigen Kilometern schlecht. Bohrende Kopfschmerzen und Erbrechen begleiteten sie die ganze Fahrt über. Ich wusste schon nicht mehr woher plötzlich die ganze Flüssigkeit kam, die sie ausgespuckt hatte. Umkehren wollte Claudia aber nicht mehr und so hangelten wir uns in der Dunkelheit von Rastplatz zu Rastplatz, immer wieder anhalten, frische Luft atmen und saubermachen. Und jedes mal stellten wir uns die Frage: Krankenwagen oder weiter zum nächsten Rastplatz ?
Mit großer Verspätung sind wir dann doch in der Klinik angekommen, wo Claudia erst einmal 40 mg Fortecortin sowie eine große Menge Natriumchloridlösung per Infusion erhielt um ihr das entgangene Wasser wieder zuzuführen. Ihr Zustand verbesserte sich und sie konnte die ganze Nacht durchschlafen. Ich frage mich häufig wie es zu solchen Attacken kommen kann. Wenn Claudia über Kopfschmerzen klagt dann schaue ich immer auf das in meiner Armbanduhr eingebaute Barometer und fast immer ist eine starke Luftdruckveränderung vorhanden. An diesem Abend jedoch war die Veränderung wohl derart drastisch, das selbst die Armbanduhr die Anzeige verweigerte. Ein Telefonat mit Mario erbrachte, das Sibylle fast zeitgleich wie aus heiterem Himmel heraus weitaus schlimmere Symptome hatte.

Der nächste Tag brachte mir zusätzliche Arbeit ein. Hatte ich doch glatt Claudias MRT Bilder bei der Oma vergessen. So konnte ich mich spät abends noch mal in den Verkehr einreihen und durch Regengüsse und Staus fahren um die Bilder bei der Oma zu holen.

Nachdem es Claudia heute bis auf einige Wortfindungsstörungen ganz gut ging, konnte ich ihr heute einen großen Wunsch erfüllen. Claudia ist jetzt wieder zu Hause ! Das erste Mal seit fast 6 Wochen. Während ich diesen Eintrag tippe liegt sie auf ihrem Bett, schaut Fernsehen, lutscht gerade ein Eis und erholt sich von der 6-stündigen Autofahrt.  

06. November 2002 Heute war im wahrsten Sinne des Wortes ein beschissener Tag. Es fing bei Claudia bereits früh morgens mit höllischen Bauchschmerzen an. Nichts blieb mehr drin. Alles kam wieder hoch. Natürlich wieder ohne Vorwarnung und gleich ins frisch bezogene Bett. Während Claudias Bauch an der Stelle, die ihr schon während der letzten Chemotherapie Probleme bereitet hatte hart wie Stahl war und wahrscheinlich wieder nichts verdautes durchgelassen hat, rieselte am anderen Ende der Durchfall nur so. Da half auch keine Windel mehr. Es quoll durch jede Ritze auf Handtücher die ich ihr darunter gelegt hatte und auch weiter durch. Das ganze passierte am heutigen Tag ganze 5 Mal. Da kam der Zorn über unseren Hausarzt wieder voll in mir hoch, hat er uns bis heute noch immer nicht eine Betteinlage verordnet, da er Angst hat, es würde sein Budget schmälern.
Mit unserem Hausarzt hatte ich heute Vormittag schon mal Ärger, da er Claudia das Thalidomid das uns jetzt ausgegangen ist nicht geben wollte. Die Begründung liegt darin das wir ihm keinen aktuellen Schwangerschaftstest vorlegen konnten. Auch der Hinweis, das Claudia die letzte Zeit sowieso im Krankenhaus verbracht hatte und gewindelt werden muss und wir in letzter Zeit mit Garantie andere Sorgen haben als miteinander Sex zu haben fruchtete nicht. Claudia soll zum Frauenarzt, den Test machen lassen, sonst gibt es kein Thalidomid. Außerdem hätten wir gegen seinen Vertrag verstoßen indem wir uns in Berlin bereits Thalidomid von einem anderen Patienten geliehen hatten. Am liebsten wäre ich auf den Vorschlag eingegangen, Claudia heute in ihrem Zustand per Krankentransport zum Schwangerschaftstest fahren zu lassen, hätten die dort jedenfalls alle was zum Lachen gehabt, aber wir haben im Moment wirklich andere Sorgen. Kurzum, das Thalidomid gibt's ab sofort von einem anderen Arzt.
Ich mache den Zirkus jetzt auch nicht mehr lange mit. Fürs Thalidomid müssen wir jetzt zu einem Internisten, für das H-15 zum Neurologen, für die Abführmittel zum Onkologen, für eine Betteinlage zu einem anderen Hausarzt, für unsere neue Therapie ans andere Ende der Republik und, und, und.... Und Claudia ist dabei die leid tragende die ich fast überall mit hinschleppen muss.
Und eine Krankmeldung hat er uns bis heute noch nicht geschrieben, da er obwohl er schriftlich den Zustand von Claudia aus Berlin bekommen hat erst selbst eine Untersuchung vornehmen muss. So gab es diesen Monat auch noch kein Arbeitslosengeld, aber das ist ja alles egal. Wenn man nichts hat, dann braucht man ja auch nichts, oder ? So ein Sepp !
08. November 2002 Seit gestern wissen wir, warum es Claudia so schlecht ging. Mich hat es jetzt nämlich auch erwischt. Es ist eine Magen-Darm Grippe die uns heimgesucht hat. So lagen wir gestern den ganzen Tag mit Fieber im Bett und haben fast 36 Stunden durchgeschlafen. Wie wir morgen Richtung Norddeutschland kommen sollen, das wissen wir noch nicht, sollten ja auch dringendst die Winterreifen vorher noch aufgezogen werden. Vielleicht ist es ja möglich den Termin um zwei Tage zu verlegen damit wir wieder fit sind für die Autofahrt.
13. November 2002 Eigentlich hätte ich die Zeit gehabt hier täglich das neueste zu berichten, habe mich dann aber so wie immer dafür entschieden es zunächst Claudia gut gehen zu lassen.
Wir sind noch immer zu Hause. Die die Therapie durchführenden Ärzte hatten uns wissen lassen, das es sinnvoller sei, die Therapie für eine Woche zu unterbrechen, da ein absolut stabiler Kreislauf Voraussetzung für eine weitere Behandlung sei und dieser Umstand war letztes Wochenende sicherlich nicht gegeben.
Nebenbei haben wir jetzt auch einen Arzt gefunden, der uns das Thalidomid ohne weitere Schikanen besorgt. Hierzu sei erwähnt, das wir nicht versuchen die von der Firma Grünenthal vorgegebenen Bestimmungen zu umschiffen, aber ein Hausarzt, der Claudia während eines Magen-Darm Infektes mit täglich 5 vollgeschissenen Windeln per Krankentransport zum Gynäkologen bringen will, nur weil ihm der monatliche Schwangerschaftstest fehlt ist in unseren Augen einfach untragbar für die Sache. Hier hätte gereicht, das wir ihm den Test nachreichen, sobald es Claudia wieder besser geht.

Gestern waren wir noch bei unserem Neurologen. Ein EEG war auch ihm nicht von Interesse. Warum auch, man sieht ja, das es Claudia nicht gerade besser geht. Er hat sich eher dafür interessiert, was wir gerade für eine Therapie machen.
Und dann hat er uns echt alles verschrieben, was wir brauchen. Ohne irgendwas von Budget zu erwähnen, so wie unser Hausarzt. So haben wir jetzt endlich auch einen Schonbezug auf Claudias Bettmatratze, Betteinlagen, Pflegemittel, neue Windeln, etc. Es ist nur eine Sache des Willens und und der Auslegung, nicht irgendein Budget.

17. November 2002 Es ist wirklich schwer für mich das zu beurteilen, aber ich habe den Eindruck das es Claudia in den letzten Tagen wieder etwas besser ging. Jetzt bleibt nur zu hoffen, das die Therapie auch wirklich anschlägt. Nachher werden wir jedenfalls wieder Richtung Norden aufbrechen, da die Therapie morgen fortgesetzt werden soll.

Heute möchten wir uns noch bei einigen Leuten bedanken, die es durch ihre einzelnen Zuwendungen möglich gemacht haben, das wir den 'Kübler-Test' in Höhe von € 1.853,95 finanziert bekommen haben: Vielen Dank an Sabine Wild, Dagmar Sauermoser, Claudias Oma Hertha, meine Eltern, meinen Bruder Michael mit seiner Frau Simone sowie an meine Heidenheimer Großeltern.

27. November 2002 Leider war der Zeitabstand zwischen den Updates diesmal etwas größer als üblich, aber wir sind vor wenigen Stunden erst wieder von unserer letzten 'Reise' zurückgekehrt.

Das im letzten Update angekündigte 'aufbrechen Richtung Norddeutschland' hatte sich dann doch verzögert, da es Claudia kurz nach dem letzten Update ziemlich schlecht ging. Auch wenn sich jetzt wieder einige Leser bei mir über die Wortwahl beschweren werden sage ich trotzdem, das es ihr einfach kotzübel ging. So blieb mir nichts anderes übrig, als mit Claudia vorerst zu Hause zu bleiben und mich um ihr Wohlbefinden zu kümmern.
Damit wir unseren Weg weitergehen können habe ich dennoch das Auto beladen und Claudia dann im Halbschlaf in der darauf folgenden Nacht einfach in den Rollstuhl gepackt, mit dem Treppenlifter nach unten gefahren und sie samt Kissen und Decke auf den zurückgekippten Beifahrersitz gesetzt. Und so sind wir dann losgefahren und gegen 11 Uhr noch einigermaßen pünktlich zur Therapie gekommen.

Da wir nun doch fast zwei Tage zu spät dran waren einigte ich mich mit den Stationsärzten, das Claudia gleich noch bis zum nächsten Therapiezyklus stationär im Krankenhaus bleibt. So konnte der durch den zusätzlichen Tag für das Krankenhaus entstandene Gewinn gleich noch für intensive Krankengymnastik genutzt werden, die ja in den letzten Wochen aufgrund der ewigen Hin- und Herfahrerei auf der Strecke blieb und Claudia sichtlich gut getan hatte. Ja, so muss man heute als engagierter Angehöriger mitrechnen. Man sollte sich ungefähr der entstehenden Kosten bewusst sein und den Tarif des Krankenhauses kennen. Wenn man dann noch ein paar unternehmerische Rechenbeispiele lösen kann, dann kann man sich in etwa ausrechnen was bei einem Krankenhausaufenthalt drin ist und was eben nicht.
Sicherlich vermisst der eine oder andere das schon längst überfällige MRT Bild. Das konnten wir bislang einfach nicht machen, da für die Klinik das Budget dazu fehlt. Also entweder die Therapie oder das MRT Bild. Mehr ist da im Moment nicht drin.
Liebe Frau Ulla Schmidt ! Was machen Sie, wenn Sie sich Arme und Beine brechen ? In unserer Situation würde man uns jetzt vor die Entscheidung stellen entweder die Arme oder die Beine zu behandeln, da das Budget nicht für beides ausreicht, oder ? Sicherlich wird Ihnen als Bundesgesundheitsministerin solch Schicksal erspart bleiben, könnten Sie sich doch allein durch das 'Übergangsgeld' bei totalem Versagen (was wir zum Glück nicht tun) alles auf eigene Privatrechnung begleichen... Das war meine Meinung zu diesem Thema. Angeschrieben habe ich Sie diesbezüglich nicht, macht ja auch keinen Sinn. Ist in meinen Augen wäre ein solcher Brief nur eine Verschwendung von Zeit und Steuergeldern, und besser wird es dadurch nicht werden. Nein, es ist auch so schon schlimm genug. Gäbe es nicht solche geniale Menschen wie unseren Professor und auch sein Team, denen die Chipkarte eher ein Fremdwort ist, ich möchte nicht aussprechen, wo wir ohne ihn jetzt wären !

Neben all diesem Ärger verging die Woche wie im Fluge. So gab es Mitte letzter Woche einen Tiefpunkt, an dem es Claudia überhaupt nicht gut ging. Das allerdings hat sich dann von alleine wieder gelegt. Gestern meinten die Schwestern noch zu mir, das sie alle fix und fertig seien, da ich sie darum gebeten hatte Claudia noch einmal zu duschen. Claudia muss sich da ziemlich gegen gesträubt haben. Allerdings hat sie danach die lange Heimfahrt ohne irgendwelche Zwischenfälle gut überstanden, ja sie hat sogar wieder angefangen Sätze zu bilden. Zwar noch keine vollständigen aber immerhin... Ihr Wortschatz ging weit über das 'Ja', 'Nein' und 'Aua' was sie die letzten 10 Tage nur noch gesagt hatte hinaus. Hier merkt man, wie gut es der Psyche tut wieder in einer gewohnten Umgebung zu sein.

So, das war seit Langem mal wieder ein längerer Eintrag. Unser nächster Schritt wird sein, das wir ab sofort intensiv mit Logopädie beginnen. Hier möchte ich mich auch noch einmal an diejenigen Patienten und Angehörigen wenden, die uns in dieser Klinik erkannt haben und uns auch angesprochen haben. Wir scheinen in der 'Szene' (der keiner freiwillig angehören möchte) bekannt zu sein wie ein bunter Hund. Wir wurden jedenfalls fast täglich angesprochen mit den Worten: 'Seid Ihr Claudia und Matthias ?' Liebe Leser, wenn wir dann doch etwas zu knapp mit den Worten waren, dann tut es uns leid, aber wir haben gerade auch nichts wie nur Probleme. Wir haben auch nur diese Webseite, ansonsten machen wir das gleiche wie Ihr. Wir kämpfen um etwas. LEBEN !

29. November 2002 Die letzten beiden Tage waren wieder mal hammerhart. Gestern hatte sich Claudia den ganzen Tag lang übergeben müssen. Es blieb einfach nichts mehr drin, nicht mal Maaloxan welches sie in Klumpen wieder rauswürgte. So langsam stelle ich da eine gewisse Regelmäßigkeit des Erbrechens fest. Es muss meiner Ansicht nach von der neuen Therapie kommen. Jedenfalls tritt das totale Erbrechen entweder Mittwoch Abend auf oder Donnerstag Vormittag auf. Und das eigentlich, seit wir mit der Therapie begonnen haben. Das ganze geht dann von alleine wieder weg. Jedenfalls haben wir die übrige Medikamentendosis in den letzten 2 Monaten nicht ändern müssen. Gegen Abend dann konnte Claudia bereits wieder etwas essen.
Um das Problem in den Griff zu bekommen habe ich unseren Hausarzt angerufen der auch gerne hilfsbereit war. Mag er sich wundern, weshalb wir schon seit Ewig kein Rezept mehr bei ihm geholt haben, aber das Thema hatten wir ja schon mal ! Jedenfalls war in seinem Köfferchen absolut nichts drin, mit dem ich auch als Laie was hätte anfangen können. Ich hätte Claudia jetzt eine NaCl Infusion mit Magenschutz gegeben und gleich daraufhin noch eine mit 40 mg Fortecortin. So machen das jedenfalls die Profis, was ich mir in letzter Zeit leider immer öfter mit ansehen muss. Na auf dem Lande muss man erst mal dem Apotheker anrufen er möchte Fortecortin Injektionslösung auf dem schnellsten Wege bestellen, dann quält man sich durch den Verkehr um das Rezept zu holen, fährt dann zur Apotheke und wartet dann auf den Hausarzt, der das ganze dann noch spritzt. Wären meine Eltern nicht zur Stelle gewesen, dann wäre Claudia sehr wahrscheinlich nicht um eine Nacht im Krankenhaus herumgekommen. Ich hätte sie so unmöglich alleine lassen können, denn sie hätte am Erbrochenen ersticken können.
Zurück zu den eigentlichen Vorfällen. Unser Hausarzt hat sich die Mühe gemacht mir mal einen Ausdruck über die möglichen Nebenwirkungen unserer derzeitigen Therapie zu machen. Als ich das las dachte ich nur: Upps... Da ist ja ne PCV Chemo fast Hustensaft dagegen. Das hier alles aufzuführen würde den Umfang dieser Seite sprengen und rein theoretisch könnte Claudias aktueller Zustand auch komplett von den Nebenwirkungen kommen. Aber Fieber, Kopfschmerzen, Übelkeit, Angstzustände, Krämpfe und vor allem Ödeme scheinen hier zu den Standardnebenwirkungen zu gehören. Die Liste der Nebenwirkungen geht noch über 2 DIN A4 Seiten weiter, aber das kann man sich sowieso nicht alles merken.

Heute war die Amtsärztin bei uns im Haus. Es war ein sehr langes und ausführliches Gespräch zu dem Claudia leider überhaupt keinen Bock hatte und somit nichts weiter außer das Wort 'Ja' gebrauchte. Ich habe ihr dann die ganze Geschichte erklärt, was in der Tat 1 1/2 Stunden in Anspruch nahm. Daraufhin versprach sie, die vom Amtsgericht benötigte Stellungnahme noch heute fertig zu machen, da auch sie die Notwendigkeit sieht, das das Sorgerecht schnellstens an mich übertragen werden sollte.
Als dann später der Krankengymnast kam, war Claudia wieder redseliger und machte bei den Übungen auch mit. Claudia hat momentan wirklich Probleme mit neuen Gesichtern die sie nicht kennt. Von denen will sie einfach nichts wissen.
Mir hat sie heute auch schon wieder Probleme bereitet. Sie trinkt mal wieder zu wenig. Zwar habe ich mich sehr gefreut, das sie so einen großen Hunger hatte, aber gestern war es nach der Würgeattacke nicht mal ein halber Liter, den sie getrunken hatte und heute nur etwas mehr. Dadurch bleiben auch so manch Tabletten auch der Strecke die sie eigentlich nehmen sollte, aber zwingen kann man sie ja nicht dazu. So ist es besser, wenn die wichtigsten drin sind als alle wieder draußen.

01. Dezember 2002 Aus unserer Fahrt in den Norden ist auch heute erwartungsgemäß wieder nichts geworden. Claudia wollte heute weder essen, noch trinken noch auch nur eine ihrer Tabletten einnehmen. So musste ich den Bereitschaftsarzt rufen. Irgendwie muss man sie ja transportfähig bekommen.
Der Arzt der dann relativ schnell kam war ein Mediziner wie man ihn sich wünscht. Eine kurze Besprechung was los ist und dann wurde genau so gehandelt wie man es sich vorstellt. So bekam Claudia eine erste Infusion mit zusätzlich 8 mg Fortecortin, das wir zum Glück noch da hatten. Auch den Grund warum Claudia nichts trinken und essen wollte haben wir herausbekommen. Claudia hat eine ziemlich heftige Halsentzündung und kann deshalb auch kaum schlucken. Natürlich weihten wir den Arzt ein, was wir derzeit gerade für eine Therapie machen und wie wichtig es für uns ist so schnell wie möglich in diese weit entfernte Klinik zu kommen. Sein Verständnis dafür war groß und er erzählte uns, das eine Bekannte von ihm wegen einer anderen Krebsart gerade die gleiche Therapie macht und es bei ihr sehr hilft. Er gab uns zu verstehen, das der Weg den wir gehen verständlich für ihn ist und kam etwa 3 Stunden später noch einmal zu uns mit einem Karton Infusionen, Ersatzschläuchen, Spritzen und Dexamethason Injektionsampullen damit wir eine 'Grundausstattung' für die Fahrt haben, falls was dazwischen kommen sollte. Weiterhin hat er uns ein Homöopathisches Mittel gegen die Halsentzündung mitgebracht.
Claudia geht es mittlerweile wieder ganz gut. So werden wir uns jetzt noch ein wenig ausruhen bis die nächsten 500 ml Infusionslösung durch sind und irgendwann in der Nacht dann losfahren. 
12. Dezember 2002 Heute ist unser Hochzeitstag. Ob es der vierte oder fünfte ist konnte ich nur dadurch erfahren indem ich meinen Ehering abgenommen hab und selbst nachgesehen hatte. Ich habe einfach kein Gefühl mehr für so was, was in unserer Gesellschaft mit Zeit und auch mit Geld in Verbindung gebracht wird. Es gibt nur noch gute und schlechte Tage und sonst fast ausschließlich nur leeren Raum.

Zurück zur Krankengeschichte ! Das es so lange kein Update mehr gab liegt daran, das wir seither noch immer nicht zu Hause waren und ich jetzt den Rechner eines guten Freundes für diese Aufgabe missbrauche. Ja, die Fahrt in den Norden hat Claudia gut überstanden. Wir sind um 23 Uhr losgefahren und ohne Pause in die Klinik gefahren, wo Claudia dann gegen 3:30 Uhr stationär aufgenommen wurde. So konnten wir mit der Therapie pünktlich beginnen.
Wie immer waren es die Nebenwirkungen, die wieder hammerhart auf Claudia einprügelten. Mittlerweile kann man sich da schon einen Zeitplan aufstellen wann was passiert. Montags ist Therapie, Dienstags hat Claudia Fieber, Mittwoch hat sie keinen Durst mehr und Donnerstags muss sie sich heftig übergeben. Das ist nicht schön sich mit anzusehen, hat sie ja nur 3 Tage sich davon wieder zu erholen.
Was ebenfalls nicht schön war, waren die letzten MRT Bilder. Ich habe sie selbst noch nicht gesehen und wollte mir das bisher auch nicht antun. Der Stationsarzt hat mir allerdings genau erklärt, was auf den Bildern drauf ist. Zugegebenermaßen weiß im Moment keiner so recht, wie die Bilder zu deuten sind. Was macht die Therapie und was macht das riesengroße Ödem auf den Bildern ? Ich bin jetzt nur noch für Claudia da und nicht mehr für die Bilder. Sobald der CD-Brenner am MRT wieder funktioniert, dann werde ich die Bilder hier mit zu den bisherigen setzen.

Dann war ich letzte Woche auch bei Prof. Vogel in Berlin. Ich weiß nicht einmal mehr welch Wochentag es war. Ich war jedenfalls der einzigste, der an diesem Tag auf ihn wartete und er nahm sich unendlich viel Zeit für uns. Es war wirklich ein tolles Gespräch und ging weit darüber hinaus was allein zu Claudias Krankengeschichte gehört. Es ging auch um unser Gesundheitssystem und um das liebe Geld, welches nach wie vor für all diejenigen die so ziemlich das schlimmste an Krankheit haben was man sich vorstellen kann nicht zur Verfügung steht. Ich schreibe die Details hier nicht rein, da der Herr Professor mit mir persönlich gesprochen hatte und dabei sollte es bleiben. Jedenfalls haben wir im Moment nichts mehr zu verlieren, die jetzige Therapie reicht nicht aus und die bisherigen haben ihre Wirkung fast verloren. So wurde als ergänzende Maßnahme sofort ein weiteres Medikament verordnet, welches unter dem Namen Ammonaps im Handel erhältlich ist und den Wirkstoff Natriumphenylbutyrat beinhaltet. Ich denke, das ich das hier so schreiben kann, da es ausreichende Studien über die Wirksamkeit dieses Medikaments bei malignen Hirntumoren gibt und somit den Gegnern und Rechnern unter uns ausreichend Konfrontationsstoff zur Verfügung steht.
Bepackt mit einem Stapel neuer Studienberichte verabschiedete ich mich von Prof. Vogel um wieder zurück zu Claudia zu gelangen.

Jetzt kann ich nur hoffen, das das Natriumphenylbutyrat, welches Claudia seit einigen Tagen bekommt irgendwann wirkt. Andere Möglichkeiten gibt es sicherlich noch viele, aber nicht die Zeit, das alles auszuprobieren. Claudia geht es im Moment nicht gerade gut. Seit nun fast 2 Wochen liegt sie nur im Bett, muss umgelagert werden, sagt höchstens noch 'Ja' oder 'Nein' und schaut nicht einmal mehr Fernsehen. Ich möchte mich hier bei den Schwestern, Pflegern und Ärzten, die Claudia im Moment betreuen mal richtig bedanken. Ihr gebt Euch eine Wahnsinns Mühe. Auch wenn ich das Krankenhaus aufgrund der Therapie jetzt nicht nennen will... Ihr wisst wer gemeint ist und lest hier ja anscheinend alle mit ! Also nochmals Danke dafür !

21. Dezember 2002 Claudia liegt noch immer im Krankenhaus und ihr Zustand hat sich nicht verbessert. Das Natriumphenylbutyrat wurde weiter eingeschlichen, sicherlich auch deshalb, weil es keinerlei Berichte darüber gibt, wie es sich mit den übrigen Therapien verträgt. Gestern waren wir bei 4,5 Gramm pro Tag angelangt und wie weit es gesteigert werden soll, das muss unser Professor entscheiden. Körperlich jedenfalls scheinen sich die Medikamente miteinander zu vertragen.

Ich versuche im Moment mindestens 6 Stunden täglich bei Claudia zu sein. Hinzu kommt ja noch eine lange Anfahrt zu der ich täglich 2 Stunden unterwegs bin. Die übrige Zeit nutze ich dazu neue Kontakte zu knüpfen, mit anderen Menschen zu reden, oder einfach mal nichts zu tun. All das ist sehr wichtig für mich im Moment. Das Geld ist alle und ohne neue Kontakte werde ich nicht wieder Fuß fassen können.
Die Stunden, in denen ich bei Claudia bin sind auch nicht sehr einfach, da sie ja nichts mehr sagt und es gibt zu wenig neues, das ich ihr das zeitfüllend erzählen könnte. Die meiste Zeit, halten wir einander die Hand und wenn immer es geht drück ich meine Claudia und küsse sie.
Besucher und telefonische Nachfragen nach Claudia sind in den letzten Wochen auch rar geworden. Ich stehe mit Claudia mittlerweile fast alleine da ! Jeder hat anscheinend gerade was besseres zu tun als für Claudia da zu sein. Aber es ist ja auch Weihnachten ! Immerhin hat Claudias Mutter nach 10 Wochen wieder mal den Weg zu ihrer einzigen Tochter gefunden und das hatte diesmal auch ohne weiteren Stress für mich wunderbar geklappt.
So wie es aussieht, werden wir Weihnachten im Krankenhaus verbringen. Das stellt auch kein Problem dar, weil wir hier in besten Händen sind. Hier wird gerade alles menschenmögliche für Claudia getan. Und wer 1 und 1 zusammenzählen kann, der weiß ja auch wo wir sind ;-)

Liebe Leser ! Wir wünschen Euch ein gesegnetes Weihnachtsfest und falls ihr selbst betroffen seid... Bitte, bitte kämpft tapfer weiter !

24. Dezember 2002 Den Heiligen Abend haben wir im Krankenhaus verbracht. Von Feierlichkeiten kann hier nie die Rede sein, jedoch war es doch eine andere Stimmung in der Neurochirurgie als an den übrigen Tagen. Es war irgendwo das Gefühl da, nicht alleingelassen zu sein.
Vorgestern hatte Claudia zwei mal hintereinander gekrampft. Danach hatte sie ein paar mal erbrochen. Es war ein schockierender Anblick für mich. Claudia lag einfach nur da, ruderte orientierungslos mit dem linken Arm umher und ihre Zunge hing dabei weit aus dem Mund. Gestern ging es ihr wieder ein wenig besser und ich konnte ihr die Medikamente zerkleinert mit etwas Joghurt verabreichen. Sie wollte zunächst überhaupt nichts essen und trinken, aber ich habe ihr erklärt, das die Medikamente unheimlich wichtig sind und eine neue Chance sind nun doch endlich wieder gesund zu werden. Daraufhin bejahte sie meine Argumente mit 'mmm...hmmm!' und öffnete den Mund um das Joghurt zu schlucken.
Heute dann kam der nächste Schock ! Als ich zu Claudia kam schlief sie tief und fest und war durch absolut nichts in der Welt wach zu bekommen. An Claudias Zugang war eine Spritze angeschlossen, die per Motor über lange Zeit die Dosierung in die Vene verteilt. Ich erkundigte mich dann gleich mal für was die Spritze mit der Aufschrift 'Heparin' da ist und musste begreifen, das Claudia nun auch noch eine Beckenvenenthrombose hat. Über die Gefährlichkeit einer solchen Thrombose möchte ich hier nicht eingehen und jetzt eher weiter dazu übergehen wie der Tag sonst noch war.
Irgendwann habe ich Claudia dann wach bekommen. Die Stationsärztin meinte das die Müdigkeit vermutlich an der erneuten Erhöhung des Lioresal liege und setzte die Dosierung wieder leicht herab. In den leider nur 2 Stunden heute, als ich Claudia wach erlebte hat sie ganz gut gegessen, getrunken und alle Tabletten zerkleinert in Joghurt zu sich genommen. Und dann fing Claudia an zu sprechen ! Nichts was man hätte verstehen können, aber sie hat es immer wieder versucht. Ich weiß das sie alles versteht nur eben nicht darauf antworten kann. So 'nen Bullshit ! Wir haben Wirklich die Arschkarte des Lebens gezogen !
Gegen 21 Uhr habe ich von Claudia dann ein hörbares Schnarchen vernommen und habe dann, bepackt mit einem kleinen Weihnachtspräsent der Station das Krankenhaus verlassen.
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